Wer Vermögen zu Lebzeiten verschenkt, denkt häufig an steuerliche Vorteile. Doch tatsächlich bestimmen gleich drei verschiedene Zehnjahresfristen – im Steuerrecht, im Schenkungs- und Sozialrecht sowie im Pflichtteilsrecht – darüber, ob eine Schenkung am Ende wirklich den gewünschten Effekt hat. Für viele ein überraschender Befund, der zeigt: Vermögensübertragungen sind häufig weniger ein spontaner Akt der Großzügigkeit als vielmehr ein strategisches Instrument der Lebens- und Nachlassplanung.
„Zeit ist beim Schenken ein entscheidender Faktor“, sagt Tobias Bresselau von Bressensdorf, Geschäftsführer der Notarkammer Sachsen. „Viele haben zwar schon einmal etwas von den für Schenkungen relevanten Zehnjahresfristen gehört, verkennen jedoch deren Voraussetzungen oder gar ihre Wirkungen. Frühzeitige Planung und eine korrekte Beratung sind daher unverzichtbar.“
Pflichtteilsrecht: Der lange Schatten des Nachlasses
Im Pflichtteilsrecht gilt: Je früher Vermögen verschenkt wird, desto stärker sinkt das Risiko späterer Pflichtteilsergänzungsansprüche. Denn die Ersatzansprüche nicht bedachter Angehöriger „schmelzen“ pro Jahr um 10 Prozent ab und erledigen sich damit nach zehn Jahren vollständig. „Die Frist beginnt jedoch erst zu laufen, wenn der Beschenkte wirtschaftlich tatsächlich die volle, zumindest aber die überwiegende Verfügungsmacht erhält“, erklärt Bresselau von Bressensdorf. Vorbehalte wie ein Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht können den Fristbeginn verhindern. Bei Schenkungen unter Ehegatten beginnt die Uhr sogar erst mit Auflösung der Ehe zu laufen. Die Folge: Viele Schenkungen mindern Pflichtteilsergänzungsansprüche deutlich später als gedacht – oder sogar gar nicht.
Schenkungs- und Sozialrecht: Wenn das Geschenk zurückgefordert werden kann
Komplex wird es auch mit Blick auf den möglichen Sozialhilfebedarf. Das Schenkungsrecht sieht vor, dass ein Schenker, der innerhalb von 10 Jahren seit der Schenkung bedürftig wird, das Geschenk zurückverlangen kann. Das Tückische: Nimmt der Schenker zwischenzeitlich Sozialleistungen für Pflege oder Lebensunterhalt in Anspruch, liegt die Entscheidung über die Rückforderung nicht allein bei ihm. Vielmehr kann der Sozialleistungsträger das Rückforderungsrecht auf sich überleiten. Was heute aus guter Absicht übertragen wird, kann morgen also wieder zur Disposition stehen. Erst nach Ablauf dieser Zehnjahresfrist ist eine Rückforderung in der Regel ausgeschlossen.
„Ist eine Pflegebedürftigkeit absehbar, sollte man gut abwägen. Schließlich soll das hart erarbeitete Vermögen doch gerade etwas Spielraum im Alter geben“, meint Bresselau von Bressensdorf. Auch sozialhilferechtlich kann es im Einzelfall auf Bedenken stoßen, Kosten der Pflege auf die Allgemeinheit abzuwälzen, das Vermögen aber auf die Kinder zu übertragen.
Steuerrecht: Freibeträge, die sich erneuern – aber Zeit brauchen
Steuerlich eröffnet die Zehnjahresregel dagegen Gestaltungsspielräume. Die persönlichen Freibeträge bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer stehen alle zehn Jahre erneut zur Verfügung. „Wer frühzeitig beginnt und Vermögen in Etappen überträgt, kann diese mehrfach nutzen. Dies ist der zentrale Grund, warum Schenkungen heute ein wichtiges Instrument der Steueroptimierung darstellen“, schließt Bresselau von Bressensdorf.
Warum jetzt handeln?
Eine Schenkung kann steuerlich, sozialrechtlich und zivilrechtlich sinnvoll sein. Wer früh plant, steht besser da: weniger Steuerlast und mehr Schutz vor Rückforderungen und Pflichtteilsansprüchen. Aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen führt aber nicht jede Schenkung automatisch zum gewünschten Erfolg.
„Genau hier setzt die notarielle Beratung an“, betont Bresselau von Bressensdorf. „Sie hilft, die individuellen Ziele mit den rechtlichen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen – und Schenkungen so zu gestalten, dass die Motive des Schenkers unter Berücksichtigung der Belange des Beschenkten umgesetzt werden.“
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